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Wednesday, October 1, 2014

Noch einmal zum Namen "Weida" in Ostthüringen

http://www.onomastikblog.de/namen_spiegel/weida_in_ostthueringen/

Von Karlheinz Hengst
Anlass zu dieser Äußerung ist der umfassende und zugleich auch den heutigen Forschungsstand zur Stadtentstehung in Ostthüringen bietende Beitrag des thüringischen Landeshistorikers Matthias Werner in dem gewichtigen Band Die Frühgeschichte Freibergs im überregionalen Vergleich mit dem Untertitel Städtische Frühgeschichte – Bergbau – früher Hausbau, hrsg, von Yves Hoffmann und Uwe Richter, erschienen in Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2013. Der bekannte Historiker Matthias Werner bereichert den umfangreichen Band mit Ausführungen Zur Stadtentstehung im östlichen Thüringen und Vogtland (S. 153-198).
In dem Beitrag wird bei Behandlung der Stadtwerdung von Weida im Zusammenhang mit den Erwägungen und Darlegungen zur Herkunft der Herren von Weida auf S. 173 in Anm. 158 auf die sprachgeschichtliche Darstellung zum geographischen Namen Weida durch mich in dem Zeitschriftenband Namenkundliche Informationen Nr. 99/100 (2011) Bezug genommen. Dabei ist ein Missverständnis seitens des Historikers zu meinen Ausführungen dort entstanden. Das zu korrigieren und möglichst zu beseitigen ist Anliegen dieser Zeilen.
Es heißt bei Werner: „Doch trotz der wichtigen jüngsten namenkundlichen Einwände von Hengst 2011, S. 215-223, … überwiegen nach Ansicht des Verfassers [M. Werner. - K.H.] dennoch weiterhin die Argumente, die angesichts der signifikanten Übereinstimmungen eine Gleichsetzung beider Familien wesentlich wahrscheinlicher erscheinen lassen als die Annahme zweier getrennter Familien“. Mit den beiden Familien sind die Herren von Weida mit übereinstimmenden Namen aus dem Raum Mühlhauen sowie im thüringischen Vogtland gemeint.
Als Sprachhistoriker ist es nun mein ausgesprochen ernsthaftes Anliegen zu betonen, dass ich keinerlei Einwände gegen die Überlegungen zur Herkunft des Geschlechts der Herren von Weida und zum Umfeld Heinrichs des Löwen sowie zur Herkunft aus dem Raum Mühlhausen im westlichen Thüringen in meinem Beitrag ausgeführt habe. Ich habe mich ausschließlich mit dem Namen des ostthüringischen Weida und seiner Überlieferung befasst. Es ging dabei einzig und allein um den Namen des Flusses und um den Namen der Stadt, nicht um die Aufklärung der Herkunft der Herren von Weida. Es war auch nicht mein Anliegen, etwas an Überlegungen zur Geschichte der Herren von Weida oder gar zu ihrer Herkunft als Ministeriale beizusteuern.
Anders formuliert: Mein Beitrag wird missverstanden oder leider falsch interpretiert, wenn er als „namenkundliche Einwände“ gegen die von Historikerseite ausführlich und begründet dargestellten Zusammenhänge bezüglich der Herkunft der Herren von Weida aus dem Raum Mühlhausen gekennzeichnet wird.
Weshalb habe ich den Beitrag in der onomastischen Fachzeitschrift überhaupt geschrieben? Dafür gibt es folgende Gründe:
  1. Wie im Beitrag auf S. 215 ausgeführt, lässt sich die Annahme einer Übertragung des Namens Weida aus Westthüringen auf Burg, Stadt und Fluss in Ostthüringen nicht erweisen. Die sprachgeschichtlichen Fakten sprechen dagegen. Der ostthüringische Flussname Weida sowie auch die Stadt gleichen Namens verdanken ihre Entstehung nicht dem Herkunftsnamen der späteren vogtländischen Herren von Weida. Der Name Weida in Ostthüringen hat schon vor Ankunft der späteren Vögte dort existiert, freilich nicht in dieser Lautung und Schreibung.
  2. Auf S. 216/217 ist mit einer Zusammenschau der Witha-Graphien aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zugleich die Unsicherheit der Notare und die Angleichung des Widaa-Namens von 1143 in den folgenden Jahrzehnten an die Schreibungen mit <t> bzw. <th> bei den ostthüringischen Herren von Weida verdeutlicht worden – neben den aber auch beobachtbaren Graphien Wida bzw. Wyda als reinen graphischen Varianten. Die ältesten urkundlichen Schreibungen ab 1122 sind mit <t> eindeutige Wita-Formen.
  3. Der Grund für diese Alternationen im 12. Jahrhundert ist in dem ostthüringischen Gewässernamen Weida und seiner dort seit dem 10. Jahrhundert geläufigen Lautung [wītā] zu sehen. Möglicherweise beruht das Hydronym auf einer bereits in slawischer Zeit bekannten Vorgängerform (etwa *Vitava ‘die Gewundene’, vgl. dazu ausführlich S. 218-222). Aber in deutscher Zeit, spätestens im 10. Jahrhundert, wurde die ins Deutsche übernommene Namensform für den Fluss an das deutsche Sprachsystem angepasst, lautete dann [wītaha] und wurde bald verkürzt [wītā] gesprochen. Die dem Gewässernamen ursprünglich zugrunde liegende Motivierung aus slawischer Zeit war nicht mehr bekannt. Es erfolgte eine scheinbare sekundäre semantische Verankerung im Deutschen jener Zeit. Dazu bot die mittelalterliche deutsche Sprache gleich mehrere Möglichkeiten, um den gesprochenen Namen [wītā] als ganz heimisch zu empfinden. Bedeutungsmäßig kann dieser Name verstanden worden sein als ‘Waldgewässer’ (vgl. ahd. witu ‘Holz’) oder auch als ‘großes, breites Gewässer’ (vgl. ahd. wīt ‘von großer Ausdehnung’), vielleicht auch in Anlehnung an altniederdeutsch hwīt ‘weiß’ als ‘Weißbach, Weißwasser’. Die genannten Bedeutungen rechtfertigten zugleich auch die der Lautung entsprechenden Schreibungen mit <t> ab 1122 im 12. Jahrhundert.
  4. Die zitierten urkundlichen Schreibungen mit <t> lassen sprachgeschichtlich keine andere Zuordnung zu, d. h. eine Verbindung mit ahd. wīda ‘Weide’ scheidet bei dem Hydronym Weida in Ostthüringen für die älteste Zeit, hier also für den Zeitraum bis ins 12. Jahrhundert, definitiv aus. In jener Zeit erfolgten die urkundlichen Schreibungen von Namen durchaus nicht willkürlich, sondern folgten der Aussprache und unterschieden auch klar nach den Phonemen /t/ und /d/.
  5. Im Laufe des 12./13. Jahrhunderts sind die Namen von Fluss und Sitz Weida sowie auch der vogtländischen Herren von Weida vereinheitlicht worden. Inwieweit dabei vielleicht auch altniederdeutscher Sprachgebrauch die Schreibung beeinflusst hat, also möglicherweise auch altsächsisch wīd ‘von großer Ausdehnungֹ’ in die Graphie der Namen eingeflossen ist, bleibt ein „Geheimnis“ der Schreiber, lässt sich also heute nicht mehr sicher bestimmen. Im Hochmittelalter hat sich dann die Graphie mit <d> durchgesetzt. Ursache dafür war dabei die nun wiederum neue scheinbare sekundäre semantische Verankerung im Deutschen mit Anschluss des Namens an das mhd. Wort wīda ‘Weide(nbaum)’. Vermutlich hat diesen Prozess die in jener Zeit einsetzende binnendeutsche Konsonantenschwächung unterstützt, was zu einer Abschwächung der Unterschiede bei der Artikulation von /t/ und /d/ führte.
In der eingangs zitierten Anmerkung findet sich folgender Schlusssatz: „Eine nochmalige eingehende Beschäftigung des Verfassers [M. Werner. – K.H.] mit der Gesamtthematik ist beabsichtigt.“ Diese Absicht rechtfertigt zugleich die Ausführlichkeit dieser nochmaligen Stellungnahme zur Problematik des Namens Weida. Aus diesem Grund sei hier auch nochmals bekräftigt: Der Name der Herren von Weida – in Ostthüringen – ist letztlich seit rund achthundert Jahren gleichlautend (homonym in Laut- und Schriftbild) mit dem schon vor ihrem Erscheinen in Ostthüringen vorhandenen Flussnamen und seiner urkundlichen Bezeugung mit 1122 Withaa und Mosilwita (NI 2011, S. 218). Geändert hat sich gut erkennbar nur die Schreibung mit Wechsel von <t> zu <d>. Dieser sprachgeschichtlich gut erklärbare Entwicklungsprozess zeigt keinerlei außergewöhnliche Erscheinungen. Diese Fakten widersprechen aber voll und ganz dem Versuch einer Annahme, der Name Wida aus dem Raum Mühlhauen (also des wüst gewordenen westthüringischen Ortes) sei auf Burg, Siedlung und Fluss in Ostthüringen erst durch die Ministerialen von Weida übertragen worden.
Es ist sicher ein seltenes und für Thüringen einmaliges Phänomen, dass die augenfällige lautliche Ähnlichkeit zweier Namen als von zwei unterschiedlichen Lexemen abgeleitete Bildungen mit unterschiedlicher ursprünglicher Bedeutung zu einer Namenkongruenz geführt hat. Es ist aber eben ein sprachgeschichtlich erwiesener Tatbestand.
Einwände gegen eine Herkunft der Herren von Weida aus der westthüringischen Region um Mühlhausen ergeben sich aus sprachgeschichtlicher Sicht nicht. Nur hat eben der Name von Fluss und Ort in Ostthüringen sprachlich primär nichts mit dem Herkunftsnamen der späteren Ministerialen zu tun. Den Gewässernamen gab es bereits vor Ankunft der Herren von W. – genauso wie die Namen der anderen Sitze der Vögte zu Gera und Plauen. Lediglich der Name Greiz wurde von den Slawen erst in der Zeit der Erbauung der deutschen Burg gebildet (vgl. zu diesen drei Namen auch Manfred Niemeyer (Hrsg.), Deutsches Ortsnamenbuch, Berlin/Boston 2012, S. 203f., 494 und 220).
Eins steht zum Schluss ganz klar fest: Mit sprachlichen Mitteln ist das Problem der Herkunft der Vögte von Weida also keinesfalls zu klären – weder zu begründen, noch zu widerlegen.
Prof. Dr. Karlheinz Hengst
E-Mail: hengst@rz.uni-leipzig.de oder khengst@gmx.net
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