Symposium des Mediävistenverbandes an der Universität Salzburg
Organisation: Manfred Kern (Germanistik), Christina Antenhofer (Geschichte), Alexander Zerfaß (Liturgiewissenschaft)
Konzept des Symposiums
In nomine domini, ich wil beginnen, sprechent âmen, mit diesen Worten eröffnet Walther von der Vogelweide den sogenannten Unmutston, eine seiner berühmtesten politischen Strophenreihen (L. 31,22). Die Berufung auf den Namen des Herrn, der dem Gebot entsprechend gar nicht eigentlich genannt wird, besichert die Selbstermächtigung des Sängers als scharfer Kritiker der soziopolitischen Zustände. Es folgt eine Nennung des Landes, in dem das Sänger-Ich „singen und sagen“ gelernt haben will, auch des Regenten, des Herzogs von Österreich, Leopold. Mit diesem Name-Dropping schreibt sich der Text in eine realhistorische Geographie und Hierarchie ein, die (scheinbar) historische Faktualität vermittelt. Das poetische Subjekt selbst gibt sich konkrete biographische Konturen, Orts- und Gönnername formen offenbar seine Identität und Individualität, auch für die Rezipierenden. Die Namen machen das Subjekt, das sich nur Ich nennt, identifizierbar, sie haben Wiedererkennungswert bis in die moderne Forschung. Man meint(e), über ihre Spur die historische Künstlerpersönlichkeit mit ihren Erfahrungen greifen zu können, in der Berufung auf den Herrn schließlich jenen selbstbewussten Sänger, den man bis heute in Walther sehen will – auch wenn sein Name in diesem Fall gar nicht fällt.
Das konkrete Beispiel kann erste Aspekte und Potenziale andeuten, die das Thema des Symposiums des Mediävistenverbandes 2025 in Salzburg bietet. Sie will sich Phänomenen, Semantiken, kulturellen Erscheinungsformen und Praktiken widmen, die sich mit Namen (nomina propria) und Benennung im Mittelalter verbinden. Ziel ist es, spezifische historische Perspektiven inter- und transdisziplinär zu erschließen.
Die Bedeutung von Namen und Benennung zeigt sich schon am Gottesnamen selbst, an seiner Tabuisierung, seiner Umschreibung, aber auch im Sinne des Sprechens in nomine, wie es eben bei Walther heißt. Name verbindet sich mit Autorität, er impliziert in gewisser, mitunter paradoxer Weise eine namentliche, verbale Verkörperung, Personalisierung und Präsenz transzendenter wie immanenter Instanzen (zumal Herrschaftsinstanzen), von Wissen und Wissenstraditionen, aber auch von einem sich ausbildenden Begriff von Urheberschaft und Kreation, nicht zuletzt in den Künsten. Namen visualisieren darüber hinaus Netzwerke, personelle, insbesondere familiäre, wie geographische, und stellen Indikatoren für vormoderne Individualität dar. Individualisierung über Benennung geht zudem einher mit Verfügbarmachen, wie es sich etwa auch an Phänomenen der Namensmagie abzeichnet.
Das umfassende Thema lässt sich in folgende Felder unterteilen, die von einander natürlich nicht streng zu scheiden sind und bei denen jeweils theoretische, geschichtliche, textuelle, ikonische und performative Aspekte ineinandergreifen:
Themenfeld 1: Denkformen
Name und Heiligkeit – Gottesname – nomen est omen – Namensmagie – Namenstabu – Name und auctoritas – Namensetymologie – Logik und Sprachphilosophie
Themenfeld 2: Kulturgeschichte/Kulturtheorie
Namen und Kulturgeschichte (Siedlungsgeschichte, Ortsnamen, Personennamen) – Kultur und Interkulturalität von Namen – Name und Recht/Rechtspraxis – Eigen- und Fremdbenennung – Name und Identität – Schimpfnamen, Spottnamen, Verballhornungen
Themenfeld 3: Ästhetik und Poetik des Nennens
Sprechakte und Namensrhetorik (Berufung, Anaklese/Epiklese, Katalog) – Name und Klang – Strategien der Benennung (Namen und Sujets, Figurennamen, Namen und Texttraditionen, Name und Antonomasie) – Sprechende Namen und Namenszusätze
Themenfeld 4: Subjekt, Objekt und Zuschreibung
Anonymität und Onymität – Name und Autorschaftsbewusstsein – Namenssignaturen und non-verbale Signaturen (Steinmetzzeichen) – Bildkünstlerische Einschreibungen – Zuschreibung und Pseudo-Namen – Tiernamen – Dingnamen
Studien zu Namen und Benennung erleben in der Gegenwart in allen genannten Feldern erhebliche Transformationen durch den Digital Turn und die Digital Humanities. Wünschenswert sind daher auch Beiträge, die wissenschaftshistorisch und/oder methodologisch nach innovativen Optionen fragen, die sich mit neuen digitalen Erschließungs- und Analyseformen ergeben.
Alle Themenfelder bieten last but not least Chancen für eine fachdidaktisch attraktive Umsetzung und Potenziale für mediävistische Gegenstandsbereiche im Schulunterricht.
Einreichung von Sektions- und Vortragsvorschlägen
Vorschläge für Sektionen und Einzelvorträge werden bis zum 1. 2. 2024 per Mail an izmf@plus.ac.at erbeten.
Sektionen steht ein Slot von 1,5 Stunden zur Verfügung, sie bestehen in der Regel aus drei Vorträgen, die interdisziplinär anschlussfähig sein sollen.
Die Vortragenden einer Sektion sollen mindestens zwei unterschiedliche Fächer vertreten.
Jeder Beitrag (Einzelvortrag und Sektionsvortrag) soll mit einem kurzen Abstract von max. 2000 Zeichen versehen sein.
Bei Sektionseinreichungen soll zusätzlich ein kurzes Gesamtkonzept zu übergreifenden Fragestellungen und Zielen (max. 2000 Zeichen) gegeben werden.
Es wird gebeten, die beabsichtigte Vortragssprache explizit anzugeben.
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