https://ialt.philol.uni-leipzig.de/forschung/konferenzen/lictra-2017/themenbereiche/#c21513
Seit den Veröffentlichungen verschiedener Mitglieder der Leipziger Übersetzungswissenschaftlichen Schule – etwa von Gert und Sonja Jäger 1968 und 1969 oder von Albrecht Neubert 1973 – ist der Problemkreis der Wiedergabe von Namen in der Übersetzung in der Forschung nur hin und wieder aufgegriffen worden. Eine umfassende, alle relevanten Fakten berücksichtigende interdisziplinäre Forschung fehlt bis heute. Die geplante Arbeitsgruppe zu Namen in der Translation soll dem dringend notwendigen Austausch der mit dieser Problematik konfrontierten WissenschaftlerInnen in Namen- und Übersetzungsforschung ebenso wie der in ihrer praktischen Übersetzungstätigkeit tagtäglich damit konfrontierten Personenkreise befördern.
Eigens für Namenverwendungsfragen wurde 1960 eine Sachverständigengruppe der UNO gegründet, die United Nations Group of Experts on Geographical Names (UNGEGN). Diese ist seither bemüht, der sich rasant entwickelnden internationalen Kommunikation geeignete international standardisierte Namenformen zu bieten und dabei den Gebrauch von Exonymen – also den Fremdbezeichnungen für Orte – einzuschränken. Die geschieht in dem Bewusstsein, dass die damit verbundene Standardisierung auch einen Verlust der historisch gewachsenen Namenformen in verschiedenen Sprachen – etwa deutsch Peking für chinesisch 北京 [pei˨˩tɕiŋ˥] –, die wichtige Sprach- und Geschichtszeugen sind, darstellt. Es stellt sich damit also zugleich die Frage, wie Namen als immaterielles Kulturerbe auch zu bewahren sind. Als Reaktion auf dieses Problem wurde aber – auch auf Betreiben der UNESCO, die ein inzwischen von rund 150 Staaten ratifiziertes Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes iniitierte – 2004 eine Arbeitsgruppe zu Geographical Names as Cultural Heritage gegründet.
Die korrespondierende Einrichtung der UNGEGN für die deutschsprachigen Länder ist der Ständige Ausschuss für geographische Namen (StAGN), in dem sich u. a. GeographInnen, KartographInnen und linguistische Fachleute mit dem Thema auseinandersetzen.
Mit Blick auf die Ortsnamen zeigt sich, dass Namenverwendung (in der einen oder anderen Sprachform) auch ein Konfliktpotential mit sich bringt, welches dem Thema auch eine ideologische bzw. politische Dimension verleiht. Relevant ist dies etwa in all den Regionen, in denen wechselnde Namenformen auch für politische Bestrebungen nach Unabhängigkeit stehen oder wo sie veränderte sprachpolitische Umstände charakterisieren und Ausdruck von stärkerer Autonomie sind. Beispiele hierfür sind die Rückkehr zu galicischen, katalanischen und baskischen Ortsnamenamen seit den 1980er Jahren in Spanien, der veränderte Umgang mit der Ausschilderung in Österreich (kroatische, ungarische bzw. slowenische Namen in der Steiermark und im Burgenland) oder die Änderung offizieller Ortsnamen in Südtirol in verschiedenen Momenten der Geschichte.
Nicht nur bei der Übersetzung von Sachtexten, sondern auch bei Übersetzung von fiktionalen Texten müssen daher ggf. Exonymenlisten bzw. Listen offizieller Namen konsultiert werden. Abgesehen von den Fällen, wo Namen ausgelassen oder Orte eines Landes durch Orte eines anderen Landes ersetzt werden, beispielsweise um bei fiktionaler Literatur bestimmte Assoziationen bei den LeserInnen zu gewährleisten, stellt sich immer wieder die Frage nach der Wahl der angemessenen Form insbesondere mehrsprachiger Ortsnamen.
Berücksichtigt werden müssen auch andere geographische Namen, also zum Beispiel Staatennamen, Ländernamen, Gebietsnamen oder Flussnamen, die aus politischen und ideologischen Gründen oder aufgrund redaktioneller Vorgaben etwa in Reiseführern oder in der Presse bei der Übersetzung von Texten in einer bestimmten Form verwendet werden.
Man könnte annehmen, dass Personennamen in diesem Themenkomplex keine Rolle spielen, da sie als beurkundete Sprachzeichen festgelegt und unveränderlich sind (aus einem Herrn Churchill kann nur im literarischen Text und nur bei so genannter „einpassender Übersetzung“ ein Herr Kirchhügel werden). Tatsächlich ist aber festzustellen, dass es etwa in zweisprachigen Regionen durchaus üblich sein kann, den eigenen Namen je nach der gerade verwendeten Sprache in der einen oder der anderen Sprache zu gebrauchen.
Ist es bei der Übersetzung von Sachtexten in vielen Sprachen wie im Deutschen heute nur noch bei sehr wenigen modernen Namen – etwa Namen von KönigInnen, Päpsten usw. – üblich, Personennamen an die Zielsprache anzupassen, werden als Relikt aus der Vergangenheit in vielen Sprachen noch immer Namen historischer Figuren angepasst (und so wird aus Albrecht Dürer im Spanischen noch immer Alberto Durero oder aus Jules Verne das spanische Julio Vernes, und vor allem bei den Beinamen berühmter Persönlichkeiten sind in vielen Einzelsprachen eigene Varianten zu finden, cf. russ. Iwan Grosny vs. dt. Iwan der Schreckliche). In literarischen Übersetzungen dagegen kommt es immer wieder zu Anpassungen von Namen an die Zielsprache, häufig sogar um wörtliche Übersetzungen von Personennamen.
Es ist im Zusammenhang mit der Frage nach Namen in der Übersetzung noch eine ganze Reihe weiterer Namenarten zu berücksichtigten, die in der internationalen Kommunikation eine Rolle spielen. In erster Linie sind hier die Waren- bzw. Produktnamen zu nennen, die spätestens seit der Veröffentlichung von Platen (1997) – der auf das Potential von Missverständnissen und Fehlern bei der Übersetzung von Warennamen in der rasch wachsenden globalisierten Welt aufmerksam machte – auch in den Fokus der Namenforschung geraten sind. Wie Platen schon damals hervorhob, ist die Verbreitung von Produkten längst nicht mehr an Ländergrenzen gebunden und der Absatz von Markenwaren erfolgt in der Regie multinationaler Holdings nicht selten rund um den Erdball. Das Global Branding – im Sinne der Etablierung von weltweit anerkannten Marken – ist „der kommerzielle Mythos unserer Zeit und in Produzentenaugen zur magischen Formel modernen Marketings“ geworden (Platen 1997: 147). Absatzwirtschaftliche Überlegungen und gezielte Namenstrategien, die von professionellen Firmen geprüft werden, führen auch hier zu Namenübersetzungen, zu Mehrsprachigkeit bzw. zielsprachigen Adaptionen. Diese Prozesse bzw. Verfahren des Produktnamentransfers wurden besonders von Botton/Cegarra (1990) beschrieben.
Mit Blick auf die literarischen Namen, die praktisch das gesamte Spektrum von Namenarten umfasst, soll von einer Zusammenschau der entsprechenden Arbeiten in der Übersetzungswissenschaft und den Ergebnissen der Literarischen Onomastik profitiert werden, die das breite Spektrum literarischer Funktionen und literarischer Namentypen beschreibt. Hier stellt sich insbesondere die Frage, inwiefern die übersetzungswissenschaftlichen und onomastischen Erkenntnisse in der Praxis der Übersetzung von Eigennamen in Literaturübersetzungen Widerhall finden.
Werkstatt I: Namen und Übersetzung
Workshop I: Names and translation
Montag Monday – Raum Z Room Z
9:00 Dieter Kremer / Carsten Sinner: Grußworte Opening remarks
9:30 Dietlind Kremer: Namen und Übersetzung oder besser: Wiedergabe von Namen in der Übersetzung
10:00 Marina Andrazashvili: Transfer der Eigennamen aus der Perspektive der Sprachuniversalien
11:45 Carmen Cuéllar Lázaro: Die Übersetzung von Eigennamen in multilingualen audiovisuellen Texten
12:15 Alena Ďuricová: Eigennamen in Rechtstexten. Übersetzen oder übertragen?
14:45 Eva Maria Hrdinová Fendrich: Äquivalenzrelationen in der Übersetzung von Märchen
15:15 Brigitte Schultze: Zwischen Lebenswelt und Kreation: Rollen- und Rufnamen in russischen und polnischen Dramen nach 1989 und im übersetzerischen Transfer
16:45 Ingeborg Ohnheiser: Zur Wiedergabe von Toponymen und Ethnonymen in Übersetzungen von Nikolai Gogols Erzählung Taras Bulba
17:15 Debatte Debate
Dienstag Tuesday – Raum Z Room Z
9:00 Ana Boullón Agrelo: Übersetzung galicischer Personennamen in Galicien: historische und soziolinguistische Aspekte
9:30 Christian Bahr: Prinzipien der Standardisierung von mehrsprachigen Ortsnamen: Analogismus und Anomalismus
10:00 Irina Ganieva / Alexei Dörre: Wiedergabe von Eigennamen aus Minderheitensprachen der Russischen Föderation im Deutschen
11:45 Christian Bahr: Abschließende Überlegungen zur Übersetzbarkeit und Übersetzung von Eigennamen
12:15 Schlussdebatte und Konklusionen Final debate and conclusions
Werkstatt I: Namen und Übersetzung
Workshop I: Names and translation
Montag Monday – Raum Z Room Z
9:00 Dieter Kremer / Carsten Sinner: Grußworte Opening remarks
9:30 Dietlind Kremer: Namen und Übersetzung oder besser: Wiedergabe von Namen in der Übersetzung
10:00 Marina Andrazashvili: Transfer der Eigennamen aus der Perspektive der Sprachuniversalien
11:45 Carmen Cuéllar Lázaro: Die Übersetzung von Eigennamen in multilingualen audiovisuellen Texten
12:15 Alena Ďuricová: Eigennamen in Rechtstexten. Übersetzen oder übertragen?
14:45 Eva Maria Hrdinová Fendrich: Äquivalenzrelationen in der Übersetzung von Märchen
15:15 Brigitte Schultze: Zwischen Lebenswelt und Kreation: Rollen- und Rufnamen in russischen und polnischen Dramen nach 1989 und im übersetzerischen Transfer
16:45 Ingeborg Ohnheiser: Zur Wiedergabe von Toponymen und Ethnonymen in Übersetzungen von Nikolai Gogols Erzählung Taras Bulba
17:15 Debatte Debate
Dienstag Tuesday – Raum Z Room Z
9:00 Ana Boullón Agrelo: Übersetzung galicischer Personennamen in Galicien: historische und soziolinguistische Aspekte
9:30 Christian Bahr: Prinzipien der Standardisierung von mehrsprachigen Ortsnamen: Analogismus und Anomalismus
10:00 Irina Ganieva / Alexei Dörre: Wiedergabe von Eigennamen aus Minderheitensprachen der Russischen Föderation im Deutschen
11:45 Christian Bahr: Abschließende Überlegungen zur Übersetzbarkeit und Übersetzung von Eigennamen
12:15 Schlussdebatte und Konklusionen Final debate and conclusions
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