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Nach unserem ersten Beitrag zur regionalen Verteilung der Unterzeichner*innen an den beiden Petitionen 698 (‚Luxemburgisch als erste Amtssprache‘) und 725 (‚Gegen Luxemburgisch als erste Amtssprache‘) möchten wir in diesem zweiten Teil nun die Verteilungen von Familiennamen und Vornamen untersuchen. Wie bereits beschrieben, standen die Angaben für ca. 50% der Unterzeichner*innen über die Onlineseite der Abgeordnetenkammer zur Verfügung, die wir hier für wissenschaftliche Auswertungen weiterverwenden. Die zentrale Frage bleibt: Lassen sich aus den vorhandenen Angaben, i.e. Familienname, Vorname, PLZ, Ortschaft, Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Populationen ermitteln?
Ein erster Aspekt betrifft die Verteilung der Geschlechter. Über die angegebenen Vornamen lässt sich (in den meisten Fällen) das Geschlecht der betreffenden Person bestimmen. Bei der Auswertung zeigt sich, dass für beide Petitionen, die Verteilung ungefähr gleich ist und auch ausgewogen ist: Der Anteil der Frauen liegt bei 46% (Petition 698) bzw. 48% (Petition 725). Dies bedeutet, dass das Geschlecht kein differenzierender Parameter der beiden Petitionen ist.
In Bezug auf die Familiennamen wurde zunächst die Rangfolge der 20 häufigsten Namen ermittelt und mit der Rangfolge für ganz Luxemburg, repräsentiert durch die häufigsten Namen im Telefonbuch von 2009 verglichen. Die folgende Tabelle zeigt, dass die häufigsten Namen in Luxemburg in weiten Teilen ebenfalls die häufigsten Namen beider Petitionen sind. Gelb markiert sind diejenigen Namen, die nicht zu den 20 häufigsten Namen Luxemburgs gehören. Doch auch Namen wie Reding, Braun, Haas, Ries oder Wolter sind als recht häufig anzusehen. Im Überblick über diese Verteilungen scheint sich also abzuzeichnen, dass die Populationen beider Petitionen ziemlich gut die gesamtgesellschaftlichen Familiennamenstrukturen abbilden.
Rang | Luxemburg (2009) | Petition 698 | Anzahl | % | Petition 725 | Anzahl | % |
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 | Schmit Muller Weber Hoffmann Wagner Thill Schmitz Schroeder Reuter Klein Kieffer Becker Kremer Faber Weis Simon Schneider Welter Schiltz Meyer | Schmit Muller Weber Hoffmann Thill Wagner Becker Krier Faber Schroeder Klein Schneider Welter Kremer Schmitz Kieffer Reding Reuter Braun Kirsch | 89 70 69 60 54 41 33 33 32 30 30 29 28 27 26 25 25 25 24 23 | 1,0731 0,844 0,8319 0,7234 0,6511 0,4943 0,3979 0,3979 0,3858 0,3617 0,3617 0,3497 0,3376 0,3255 0,3135 0,3014 0,3014 0,3014 0,2894 0,2773 | Schmit Meyer Haas Werner Muller Weber Hoffmann Wagner Schiltz Bertrand Thill Kieffer Ries Faber Schroeder Klein Schneider Kirsch Meyers Wolter | 8 8 8 8 7 6 6 6 6 6 5 5 5 4 4 4 4 4 4 4 | 0,3735 0,3735 0,3735 0,3735 0,3268 0,2801 0,2801 0,2801 0,2801 0,2801 0,2334 0,2334 0,2334 0,1867 0,1867 0,1867 0,1867 0,1867 0,1867 0,1867 |
Summe | 9,32 % | 5,23 % |
Allerdings gibt es auch gravierende Unterschiede, die sich zeigen, wenn die kumulierten Häufigkeiten der Unterzeichner*innen mit diesen Namen verglichen werden. Während die zwanzig häufigsten Namen der Petition 698 ca. 9% aller Unterzeichner*innen repräsentieren, so sind dies nur noch 5% für die Petition 725. Dies deutet darauf hin, dass sich beide Gruppen in der Verteilung der Namenhäufigkeiten gravierend unterscheiden.
Um diesen Aspekt zu vertiefen, werden im nächsten Schritt alle Familiennamen berücksichtigt. Gemäß dem Telefonbuch von 2009 existieren ca. 36.000 verschiedene Familiennamen in Luxemburg. Von dieser Menge finden sich 4008 in den Daten der Petition 698, die mit insgesamt 8294 Namenträgern vorkommen, d.h. dass jeder Namen durchschnittlich zweimal (2,1 mal) auftritt. Bei derPetition 725 lassen sich 1831 verschiedene Familiennamen feststellen, die mit 2142 Namenträgern vorkommen; hier kommt jeder Namen durchschnittlich nur ca. einmal (1,2 mal) vor und dies bedeutet, dass trotz der geringeren Partizipationsquote die Namendiversität für Petition 725 höher ist als für Petition 698. Umgekehrt formuliert: Die Unterzeichner*innen von Petition 698 sind familiennamenmäßig stärker auf bestimmte Namen fokussiert, während die Daten für Petition 725 stärker streuen.
Wenn nun alle Häufigkeiten der Familiennamen in ein Diagramm übertragen werden, erhält man ein so genannte Lorenz-Kurze. Dazu werden die relativen Häufigkeiten jedes Namens, beginnend mit den niedrigsten, aufaddiert, sodass alle Häufigkeiten kumuliert 100 % ergeben. Die Lorenz-Kurven der Petitionen unterscheiden sich, was auf unterschiedliche Häufigkeitsverteilungen zurückzuführen ist. Für die Petition 725 zeigt sich z.B. ein gleichmäßiger Anstieg bis ca. 90 der kumulierten Häufigkeiten, was auf eine sehr hohe Zahl von Namen hindeutet, die lediglich einmal vorkommen. Erst für die letzten 10 % steigt die Kurve stärker an, d.h. hier finden sich die höherfrequenten Namen. Wenn wir uns nun auf die letzten 10 % der Kumulation konzentrieren (rote Hilfslinien), dann werden die starken Unterschiede zwischen den Petitionen augenfällig. Für die Petition 725 konzentrieren auf diese 10 % lediglich 23 % aller Unterschriften. Für die Petition 698 hingegen zeigt die deutlich steilere Kurve für die letzen 10 %, dass sich hier viel mehr Unterschriften konzentrieren, nämlich 42 %, also fast das Doppelte im Vergleich zu Petition 725. In der Petition 725 sind also überproportional mehr seltene Namen und einmal vorkommende Namen repräsentiert, wohingegen in der Petition 698 überproportional mehr häufige Namen zu finden sind.
Als dritte Lorenz-Kurve ist zum Vergleich die Verteilung der Familiennamen für die luxemburgische Bevölkerung angegeben, soweit sie im Telefonbuch verzeichnet ist (36.000 verschiedene Namen für ca. 160.000 Telefonanschlüsse; Stand: 2009). Diese ‚gesamtgesellschaftliche‘ Verteilung unterscheidet sich nun wiederum stark von den beiden Petitionen. Die zum Ende sehr steil werdende Kurve deutet darauf hin, dass 10 % der Luxemburger Familiennamen von 70 % der Bevölkerung getragen werden.
Neben diesen offensichtlichen Unterschieden zwischen den Populationen sollte jedoch nicht übersehen werden, dass die Menge der verschiedenen Familiennamen für beide Petitionen im Vergleich zur Gesamtheit von 36.000 Namen, die heute für Luxemburg belegt sind, immer noch recht klein bleibt: Petition 698 repräsentiert 11%, Petition 725 gar nur 5% der verschiedenen Familiennamen.
Schließlich soll noch ein Blick auf die historische Tiefe der vorkommenden Familiennamen geworfen werden, indem analysiert wird, ob die Familiennamen auch schon im 19. Jahrhundert in Luxemburg belegt sind oder ob es sich um das Resultat von Migrationsbewegungen des 20. und 21. Jh. handelt. Im Zuge unseres Projekts zu den Familiennamen stand auch das Verzeichnis der Volkszählung von 1880 zur Verfügung, in dem ca. 8.000 verschiedene Familiennamen aufgeführt sind. Diese Namenliste lässt sich nun einfach mit den Listen der Petitionen abgleichen.
verschiedene Namen auch VZ 1880 | % verschiedene Namen auch VZ 1880 | Unterzeichner*innen mit Namen, die auch in der VZ 1880 vorkamen | % Unterzeichner*innen mit Namen, die auch in der VZ 1880 vorkamen | |
Petition 698 | 1113 | 28 % | 4996 | 60 % |
Petition 725 | 356 | 19 % | 549 | 25 % |
Dabei ergibt sich, dass 28 % der Namen aus Petition 698 bereits in der Volkszählung von 1880 vorkamen; auffällig ist dann, dass diese Namen 60 % des Gesamtvorkommens in der Petition ausmachen. Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich für die Petition 725, wo lediglich 19 % der Namen bereits 1880 belegt sind; zudem repräsentieren diese Namen auch nur 25 % aller Unterzeichner*innen. (Zu einem geringen Teil können diese niedrigeren Werte auch auf Familiennamen von Personen zurückgeführt werden, die nicht in Luxemburg wohnen, i.e. Grenzpendler.)
Dies bestätigt die beim Überfliegen der Namen gewonnene Vermutung, dass die Petition 725 proportional von weit weniger Mitgliedern alteingesessener Luxemburger Familien unterschrieben als Petition 698.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Namenstrukturen es deutlich nahelegen, dass die Teilnehmergruppen der Petitionen sehr unterschiedlich sind. Dabei zeigte sich, dass diese beiden Namenverteilungen nicht der gesamtgesellschaftlichen Namenverteilung entsprechen, sondern vielmehr Konzentrationen auf bestimmte, distinkte Gruppen von Familiennamen darstellen. Darüberhinaus hat sich herausgestellt, dass die Familiennamen der Majorität der Unterzeichner*innen an Petition 698 bereits in den Volkszählungsdaten von 1880 vorkommen, während es bei den Unterzeichner*innen an Petition 725 genau umgekehrt ist. Wenn man Familiennamen als soziale Indikatoren versteht, dann scheint auch die Schlussfolgerung zulässig, dass die beiden Teilnehmergruppen zwei größtenteils distinkte soziale Gruppen repräsentieren.
Fernand Fehlen/Peter Gilles
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