http://www.welt.de/vermischtes/kurioses/article115541901/Farce-um-Frauenquote-fuer-Strassennamen-in-Berlin.html
Das Jüdische Museum möchte seinen Vorplatz nach Moses Mendelssohn benennen. Doch Kreuzberg sperrt sich: Im Bezirk gilt eine Frauenquote für Straßennamen. Ausnahmen gibt es nur für linke Idole.
Das Jüdische Museum möchte seinen Vorplatz nach Moses Mendelssohn benennen. Doch Kreuzberg sperrt sich: Im Bezirk gilt eine Frauenquote für Straßennamen. Ausnahmen gibt es nur für linke Idole.
Ursula von der Leyen hat sich durchgesetzt, und die CDU will sich eine starre Frauenquote ins Programm schreiben. Damit könnte man meinen, ist die Debatte fürs Erste beendet. Doch während die große Politik bereits zum nächsten Tagesordnungspunkt übergeht, bricht in Berlin schon wieder eine Geschlechterdebatte los. Im Mittelpunkt steht ein noch nicht einmal fertig gepflastertes Plätzchen am Rande Kreuzbergs.
Einziger Anlieger ist das Jüdische Museum, das hier demnächst einen Anbau eröffnen will. In der neuen Akademie des Hauses wird künftig zu den sozialen Folgen von Migration geforscht. Und so suchte der Stiftungsrat des Museums nach einem passenden Patron. Eine historische Persönlichkeit sollte es sein, international bekannt und geehrt.
Man entschied sich für Moses Mendelssohn (1729-1786). Der jüdische Philosoph gilt als ein Wegbereiter der Aufklärung und kam selber als Migrant nach Berlin – der perfekte Kandidat also, hätte er nicht ein entscheidendes Manko: Er ist keine Frau.
Friedrichshain-Kreuzberg hat sich 2005 eine Frauenquote von 50 Prozent verschrieben. Laut einem Beschluss der von den Grünen dominierten Bezirksverordnetenversammlung müssen Straßen und Plätze zur Hälfte nach Frauen benannt werden. Bis die Quote erreicht ist, sollen nur noch weibliche Namen vergeben werden.
Zu einer Ausnahme ist man im Bezirk nicht bereit: Das sei "genderpolitisch mehr als fragwürdig", heißt es bei den Kreuzberger Grünen. Es könne schließlich nicht sein, dass es keine angemessene weibliche Persönlichkeit gebe.
Eigentlich finden die Grünen Mendelssohn ja "ganz toll"
Im Jüdischen Museum reibt man sich die Augen. Dass die Taufe des Vorplatzes so anstrengend werden würde, hätte sie nicht erwartet, sagt Museumsdirektorin Cilly Kugelmann. Und ja, der Stiftungsrat hätte sich auch Alternativen mit Berlinbezug überlegt: die Schriftstellerin Rahel Varnhagen etwa oder Rosa Luxemburg.
Aber die sind im Berliner Verkehrsbild – erstere mit einer Straße, letztere mit einem Platz, einer Straße und einem Steg – bereits versorgt, während es deutschlandweit noch keine einzige Straße oder einen Platz für Mendelssohn gibt.
Die Namensdiskussion ist zur Farce geraten. Im Bezirksausschuss "Frauen, Gleichstellung und Queer" wurde bereits die Idee diskutiert, die bestehende Rahel-Varnhagen-Promenade umzutaufen, nur um dann doch den Vorplatz der Akademie des Jüdischen Museums nach ihr benennen zu können.
Cilly Kugelmann sagt, sie finde das schlichtweg albern. Und Anna Sophie Luck von den Kreuzberger Grünen, stellvertretende Vorsitzende des Gleichstellungs-Ausschusses, bemüht sich zwar zu versichern, dass man Mendelssohn an sich ja auch "ganz toll" finde, aber Beschluss sei nun einmal Beschluss.
Wahl fällt auf "Eheleute-Mendelssohn-Platz"
Könnte man meinen. Nur wurden in den vergangenen Jahren schon Ausnahmen von der Regel gemacht. Etwa für die Rudi-Dutschke-Straße oder für den ermordeten Hausbesetzer Silvio Meier, nach dem demnächst die Gabelsbergerstraße in Friedrichshain umbenannt werden soll. Offenbar lässt sich die Frauenquote für linke Konsensfiguren aussetzen.
Inzwischen haben sich Berliner zwar mit einer Online-Petition für Mendelssohn an den Regierenden Bürgermeister und den Senat gewandt. Doch die rund 2000 Befürworter fallen nicht mehr ins Gewicht, denn die Bezirksverordnetenversammlung hat nun entschieden, wie der Platz vor dem Jüdischen Museum künftig heißen wird.
Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich für eine Namensalternative, die man wohl als Kompromiss versteht: Um Mendelssohn nicht außer Acht zu lassen und trotzdem noch eine Frau aufs Schild zu hieven, hat die Mehrheit für "Fromet- und Moses-Mendelssohn-Platz" gestimmt.
Im Jahr 2013 gilt es also wieder als emanzipatorischer Erfolg, an der Seite seines Mannes genannt zu werden. Funktion: Gattin. Dafür, könnte man meinen, hätte es eine Frauenquote nicht gebraucht.
Gerade einmal ein Zwanzigstel weiblich
Die Gleichstellung wollen sich derweil auch andere deutsche Großstädte auf die Schilder schreiben. So hat etwa Hamburg im vergangenen Jahr die Absicht bekundet, Straßen künftig verstärkt nach weiblichen Vorbildern zu benennen.
Der Anteil an Frauen ist im hanseatischen Stadtbild noch geringer als in den Vorständen deutscher Dax-Konzerne: Bei einer letzten Zählung im Jahr 2009 war Hamburg gerade einmal auf 275 weibliche von insgesamt 8000 Straßennamen gekommen. Ähnlich arm an Namensgeberinnen ist München: Dort tragen von 6129 Straßen gerade einmal ein knappes Zwanzigstel (288) Frauennamen.
Den Schnitt anzuheben ist offenbar nicht so leicht wie gedacht: Trotz des bereits 2004 gefassten Entschlusses, weiblichen Persönlichkeiten bei der Benennung von Straßen Vorrang zu gewähren, kommt ein Bericht des Kommunalreferats München von 2011 zu dem Schluss: "Nach wie vor beziehen sich die Wünsche nach einer Ehrung von Persönlichkeiten durch eine Straßenbenennung sowohl von privater Seite als auch seitens der Bezirksausschüsse und aus den Reihen des Stadtrats fast ausschließlich auf Männer."
Die Gleichstellung würde 89 Jahre dauern
Auch in Düsseldorf diskutierte der Gleichstellungsausschuss kürzlich, ob man künftig statt der "Königs-" eine "Königinnenallee" brauche. Mehr als ein Drittel aller Straßen der Landeshauptstadt sind nach Männern benannt; bisher wurden lediglich 69 Frauen als Namensgeber herangezogen, das entspricht einem Anteil von gerade einmal 2,7 Prozent.
Die Düsseldorfer entschieden sich trotzdem gegen eine Frauenquote. Diese durchzusetzen wäre wahrscheinlich auch ein Jahrhundertprojekt geworden: Wenn in der Stadt wie bisher durchschnittlich neun neue Straßennamen pro Jahr vergeben werden, dann würde es mindestens 89 Jahre dauern, bis endlich die Gleichstellung erreicht wäre.
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