Sunday, October 11, 2015

Rosemarie Gläser zum 80. Geburtstag

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Am 10. September 2015 feiert Rosemarie Gläser ihren 80. Geburtstag – ein Jubiläum, das Anlass für diese Würdigung einer außergewöhnlichen Wissenschaftlerin und eines vielfältigen und beeindruckenden Werkes ist.
Rosemarie Gläser, 2011 (Foto: Dieter Kremer)
Rosemarie Gläser studierte von 1954 bis 1959 Anglistik-Amerikanistik, Germanistik und Pädagogik an der Universität Leipzig. Sie promovierte 1962 auf dem Gebiet der Lexikologie des Englischen. Nach ihrer Habilitation 1969 mit der Arbeit „Linguistische Kriterien der Stilbeschreibung (dargestellt an einigen Tropen des modernen Englischen)“ am Institut für Anglistik wurde sie zur Hochschuldozentin an der Universität Leipzig berufen. Sie begründete 1975 an der Sektion Fremdsprachen eine Forschungsgruppe, die sich mit der linguistischen Beschreibung von Fachsprachen des Englischen beschäftigte und aus der 21 Dissertationen und vier Habilitationen hervorgingen. Rosemarie Gläser erhielt 1980 eine a.o. Professur für Englische Sprache an der Sektion Fremdsprachen der Uni Leipzig und 1992 am neu gegründeten Fachsprachenzentrum die Berufung auf den Lehrstuhl Angewandte Sprachwissenschaft/Fachkommunikation.
Ihre mehr als 50 Jahre währende wissenschaftliche Tätigkeit in Forschung und Lehre ist durch eine große Vielfalt thematischer Schwerpunkte gekennzeichnet. Wer immer sich mit Stilistik, Textlinguistik, Fachsprachenforschung, Übersetzungswissenschaft, Phraseologie oder Onomastik beschäftigt, wird auf die Arbeiten von Rosemarie Gläser zurückgreifen.
In der wissenschaftlichen Welt bekannt wurde Rosemarie Gläser durch Ihre Bücher Fachstile des Englischen (VEB Verlag Enzyklopädie Leipzig, 1979) und Phraseologie der englischen Sprache (Leipzig 1986, im gleichen Jahr und 1990 in zweiter Auflage auch bei Niemeyer in Tübingen erschienen). In der Folgezeit wurde sie „zu einer der renommiertesten und meist-zitierten Anglistinnen des deutschsprachigen Raumes“, wie Alwin Fill in dem zu ihrem 70. Geburtstag erschienenen Porträt (Anm. 1) betont. Ihr bei Gunter Narr (Tübingen) publiziertes BuchFachtextsorten im Englischen (1990) hat entscheidend zur Weiterentwicklung der Texttypologie beigetragen und gehört noch heute zu den Standardwerken der Fachtextlinguistik.
Rosemarie Gläsers Themen sind aber nicht auf Fachsprachenforschung, Stilistik und Phraseologie beschränkt. Mit annähernd 400 Publikationen hat sie ein breites Spektrum von Wissenschaftsgebieten nachhaltig beeinflusst, darunter Soziolinguistik und Onomastik. Rosemarie Gläsers Beschäftigung mit onomastischen Themen reicht in das Jahr 1970 zurück. Sie war mehrere Jahre lang Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Namenkundliche Informationen“ und hat viele Beiträge und Rezensionen für die Zeitschrift verfasst.  Anfang der 1980-er Jahre entwickelte sich in der von Rosemarie Gläser begründeten Forschungsgruppe ein neuer Forschungsschwerpunkt, die Fachsprachenonomastik. Wesentliche Impulse von Seiten der Namenkunde empfing die Forschungsgruppe in der Vorbereitungsphase des XV. Internationalen Kongresses für Namenforschung (ICOS 1984), der an der Universität Leipzig stattfand und dessen Präsident Ernst Eichler war.
Die Thematik "Fachsprachenonomastik" stellt sich seither in drei wichtigen Dimensionen dar – Eigennamen, Nomenklaturzeichen und Warennamen –, zu denen Rosemarie Gläser und ihre Forschungsgruppe wesentliche Vorarbeiten und Beiträge geleistet haben. Die theoretische Durchdringung des aus Fachtexten und Fachwörterbüchern gewonnen Datenmaterials orientierte sich u. a. an Standpunkten der Sozioonomastik, der Textlinguistik und der Semantik und öffnete damit auch neue Dimensionen für die Leipziger Onomastik, die traditionell vor allem auf die Erforschung von Orts- und Personennamen gerichtet war.
Zu den wichtigsten Publikationen auf diesem Gebiet gehören zwei von Rosemarie Gläser herausgegebene Sammelbände: Eigenname und Terminus: Beiträge zur Fachsprachenonomastik (im Beiheft 9 der Zeitschrift „Namenkundliche Informationen“, 1986) und Eigennamen in der Fachkommunikation (in der von ihr begründeten Reihe „Leipziger Fachsprachenstudien“ beim Verlag Peter Lang, 1996).
Seit 2000 hat sich Rosemarie Gläser im Bereich der Onomastik verstärkt mit der Textsortenspezifik von Namen (z.B. in dem Beitrag „Zum Namengebrauch von Grußadressen zum Valentinstag und  Strukturwandel einer kontaktiven Textsorte“, 2001) und mit Namenlandschaften in australischen Romanen der Pionierzeit beschäftigt. Ihre Aufmerksamkeit gilt nicht nur den systemlinguistischen Eigenschaften der Namen, sondern ebenso deren Funktionen in der Kommunikation. Sie wählt dazu Beschreibungs- und Analysemethoden, die das Zusammenwirken von Namen und anderen sprachlichen Mitteln auf Text- und Diskursebene in pragmatischen Handlungszusammenhängen verdeutlichen. Die breite Anerkennung, die Rosemarie Gläser als Namenforscherin zuteil geworden ist, resultiert nicht zuletzt aus ihrem Verständnis für ein problemorientiertes Arbeiten und für interdisziplinäre Fragestellungen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass neben der Beschäftigung mit onomastischen Fragestellungen ihr Interesse auch weiterhin den Phraseologismen, der Fachtextlinguistik und den Varietäten des Englischen gilt.
Das 2005 erschienene Buch Eigennamen in der Arbeitswelt (Leipziger Universitätsverlag) gehört zweifellos zu den Höhepunkten im Schaffen von Frau Gläser. Zum einen kann es als Bestandsaufnahme der Forschung der Autorin auf diesem Gebiet gesehen werden, zum anderen bringt die thematische Vielfalt, angefangen von „Eigennamen in den Printmedien“ über „Eigennamen als Bestandteile von Fachwortschätzen“ bis hin zu „Eigennamen aus transkontinentaler Sicht“, viele Anregungen und Erkenntnisse, die die Relevanz von Namen in unserem alltäglichen Leben verdeutlichen.  Beiträge zu den Beinamen politisch exponierter Personen oder zu toponymischen Veränderungen in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung zeigen, wie Zeitgeschichte über Namen erfahrbar wird und wie die Erforschung von Namen ein tiefes Eindringen in historische Prozesse und Wissensgebiete bedingt. Das Buch zeugt auch vom vielfältigen Wissen der Jubilarin über andere Kulturen, das sie auf Tagungs-, Vorlesungs- und Studienreisen in alle Welt, seit 1990 insbesondere nach Australien und Südafrika, erworben hat.
Mit einer kurzen Besprechung des Buches Eigennamen in der Arbeitswelt endet Sabine Fiedlers Würdigung von Rosemarie Gläser zum 70. Geburtstag im Jahr 2005 (Anm. 2); die produktive wissenschaftliche Tätigkeit der Jubilarin endet in dem Jahr erfreulicherweise nicht. Seit ihrer Emeritierung im Oktober 2000 in Leipzig lebt sie in ihrer Heimatstadt Dresden und ist noch immer als Forschende und Vortragende äußerst aktiv. Überdies hat sie stets auch kommunale Interessen wahrgenommen. Wir gratulieren Frau Gläser herzlich und wünschen ihr Gesundheit, damit sie all ihre Pläne weiterhin in die Tat umsetzen kann.
Angelika Bergien, Magdeburg
Anmerkungen
(1) Erschienen in: Anglistik 2/2005, hrsg. von R. Ahrens und H. Antor, Universitätsverlag Winter Heidelberg, 225-227.
(2) Erschienen in: Namenkundliche Informationen 87/88, 2005, hrsg. von E. Eichler, K. Hengst und D. Krüger. Leipziger Universitätsverlag, 429-432.

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