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Dr. Rita Heuser ruft einen Namen auf. "Nehmen wir Aydin", sagt sie. "Dieser Familienname ist nicht selten in Deutschland. Er steht in der Häufigkeit immerhin auf Rang 1134." Auf dem Bildschirm ihres Computers erscheint eine schematische Karte der Bundesrepublik. Rote Kreise zeigen, wo Aydins registriert sind. Vor allem in Städten und Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet kommt der Name häufig vor. "Im ländlichen Bereich finden wir den Namen Aydin seltener, auch im Osten kommt er kaum vor." Höchstwahrscheinlich kamen die ersten Aydins in den 1950er- und 1960er-Jahren als Gastarbeiter aus der Türkei nach Westdeutschland. Das erklärt die spezifische Verbreitung.
Dr. Rita Heuser ruft einen Namen auf. "Nehmen wir Aydin", sagt sie. "Dieser Familienname ist nicht selten in Deutschland. Er steht in der Häufigkeit immerhin auf Rang 1134." Auf dem Bildschirm ihres Computers erscheint eine schematische Karte der Bundesrepublik. Rote Kreise zeigen, wo Aydins registriert sind. Vor allem in Städten und Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet kommt der Name häufig vor. "Im ländlichen Bereich finden wir den Namen Aydin seltener, auch im Osten kommt er kaum vor." Höchstwahrscheinlich kamen die ersten Aydins in den 1950er- und 1960er-Jahren als Gastarbeiter aus der Türkei nach Westdeutschland. Das erklärt die spezifische Verbreitung.
Heuser hat noch mehr Informationen zu bieten: "Der Name bedeutet 'hell' oder 'erleuchtet'." Das ist eine der Hauptdeutungen. Die Internetseite wartet mit weiteren Interpretationen auf. Der seldschukische Fürst Aydin aus dem 14. Jahrhundert kann Pate gestanden haben oder eine Region in der Türkei könnte gemeint sein, auch wenn das entschieden unwahrscheinlicher ist. Ein knapper, allgemein verständlich geschriebener Eintrag gibt darüber Auskunft. Der Autor: Mehmet Aydin, Student an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt "Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands" (DFD).
"Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen oft eine wichtige Expertise mit", sagt Univ.-Prof. Dr. Damaris Nübling vom Deutschen Institut der JGU. Gemeinsam mit Heuser, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur arbeitet, zeichnet sie in Mainz für das Projekt verantwortlich. "Wir brauchen unter anderem Kenntnisse über nichtdeutsche Familiennamen", betont die Sprachwissenschaftlerin. "Dabei können durchaus auch studentische Hilfskräfte aus dem Baltikum, aus Schweden, aus der Türkei oder Leute mit entsprechenden Sprachkenntnissen eine große Hilfe sein."
"Es gibt keine Region in Deutschland, in der wir nur Familiennamen deutscher Herkunft finden", betont Heuser. Die Landschaft ist bunt – wie bunt, das wird erst mit diesem Wörterbuch so richtig klar.
Das DFD ist aus einem früheren Projekt, dem "Deutschen Familiennamenatlas", hervorgegangen, an dem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Johannes Gutenberg-Universität Mainz beteiligt sind. "Das ist ein sehr linguistisches Projekt und eher für die Fachwelt gedacht", erklärt Nübling. "Während der Arbeit daran bekamen wir aber viele Anfragen von Journalisten und Privatleuten. Das öffentliche Interesse an dem Thema ist ungeheuer groß." Also sollte ein Projekt her, dass nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sondern auch Laien den einfachen Zugang zu neuesten Erkenntnissen der Forschung ermöglicht: Im Jahr 2012 begann die Arbeit am Digitalen Familienwörterbuch Deutschlands.
"Am Anfang waren viele technische Fragen zu klären", erzählt Heuser. "In welcher Form stellen wir unsere Erkenntnisse ins Internet? Wie bleiben sie zitabel? Wir entwickelten ein digitales Konzept und mussten uns überlegen, was wir alles hineinnehmen." Zwei Jahre nahm das in Anspruch. "Dieser Aspekt wird oft unterschätzt, aber wir wussten, dass es so lange dauern würde." Hier war die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen der TU Darmstadt sehr eng. Von dort kam neben sprachwissenschaftlicher Fachkenntnis insbesondere die notwendige IT-Kompetenz. "Es begann als Zweckehe und ist zu einer Liebesehe geworden", skizziert Nübling die Kooperation der drei Institutionen mit einem Lächeln. "Inzwischen sind die Darmstädterinnen unsere Traumpartner."
Erstaunlich wenig ist bekannt über die Familiennamen in Deutschland. Ihre Zahl wird auf 800.000 geschätzt. Davon führen die bisher vorhandenen einschlägigen Lexika bestenfalls 70.000 auf. "Dort finden wir auch noch häufig Widersprüche oder Fehler, was Herkunft oder Bedeutung angeht", sagt Heuser. Und nirgends gibt es fundierte Karten zur Verbreitung von Familiennamen. Das leistet erst das digitale Wörterbuch und zeigt damit eindrücklich, wie wichtig die Familiennamengeografie auch für die Namensdeutung ist.
"Wir greifen auf die Telekom-Datenbank zurück", erzählt Nübling. "Das ist die einzige Quelle, die überhaupt zur Verfügung steht. Sie eignet sich hervorragend, da sie flächendeckend ist." Alle Festanschlüsse sind dort verzeichnet. Die Sprachwissenschaftler arbeiten mit dem Datensatz von 2005. "1990 oder 1995 hätte keinen Sinn gehabt, da war der Osten noch nicht in der Dichte dabei, die wir brauchen." Nach 2005 nahmen die Handy-Anschlüsse stark zu. Das Verzeichnis der Festanschlüsse verliert an Aussagekraft.
"Wir erfassen alle Familiennamen mit mindestens zehn Telefonanschlüssen", sagt Heuser. Am Ende wird das DFD rund 200.000 Namen enthalten. Ein Klick gibt Auskunft – schon jetzt. "Müller" etwa steht auf Rang eins. Er ist quasi allgegenwärtig, aber selbst hier gibt es Unterschiede. Nach Norden hin nimmt die Häufigkeit ab und auch im Südosten der Republik sieht es dünn aus.
"Müller scheint vielleicht gar nicht so interessant", räumt Heuser ein. "Aber das ist nur auf den ersten Blick so." Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter des DFD-Projekts beackert gleich ein ganzes Namensfeld. Es geht im Fall Müller also auch um Neumüller oder Kumpfmüller. Plötzlich werden Kenntnisse zu Mühlentypen interessant. Auch Varianten geraten ins Blickfeld. Bei Miller könnte man annehmen, der Name stamme aus dem englischsprachigen Raum. Die Karte zeigt aber, dass die Millers vor allem in Süddeutschland zu Hause sind. Vor Ort wurde aus dem "ü" aufgrund des Dialekts einfach ein "i".
Oft stammen Familiennamen tatsächlich aus dem Ausland, doch wird es in vielen Fällen nicht mehr wahrgenommen. Die Endrulats und Wowereits etwa kamen aus dem Baltischen, Schimanski und Grabowski weisen in Richtung Polen und Schirra nach Frankreich.
Die Lunkenheimer dagegen stammen aus Rheinhessen. Aber woher genau? "Der Name scheint eindeutig auf eine Siedlung namens Luinkenheim zu verweisen", berichtet Heuser. "Aber dieser Ort existiert heute nicht mehr und ist auch historisch nicht nachweisbar." Es ist eine Puzzlearbeit, die bei jedem Namen neu beginnt. "Es ist auch eine Pionierarbeit", ergänzt Nübling. Für Studierende, für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet diese Arbeit am DFD Chancen. "Sie übernehmen ein Namensgebiet, sind damit sofort mittendrin in der Forschung und können bei uns veröffentlichen. Die Verfasser des Artikels werden alle genannt."
Das DFD weist über die deutschen Grenzen hinaus. Kenntnisse zur Namenslandschaft im Ausland sind unabdingbar. "In den Niederlanden und in Schweden werden Familiennamen rigoros an die Rechtschreibung angepasst", nennt Heuser nationale Eigenheiten. "Dadurch gibt es dort viel weniger Schreibvarianten. Ein "Weißbrod" neben einem "Weisbrodt" wäre dort unzulässig. "Deutsche Familiennamen sind in ihrer Vielfalt also eine echte Besonderheit."
Mit dem DFD entsteht eine Quelle, die vielen Forschungsdisziplinen nutzen kann, eine Quelle, die in Zukunft mehr und mehr mit anderen Datenbanken vernetzt werden wird, und eine Quelle, in die jeder einfach mal reinschauen kann. Viele haben es bereits getan. Mancher muss noch etwas warten, bis sein Name auftaucht. Aber neue Beiträge kommen, Monat für Monat.
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