Monday, December 30, 2024

Ortsnamen verwahren ausgestorbene Worte

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In einem Interview mit der TAZ beleuchtet die Indogermanistin Kirstin Casemir die Bedeutung von Ortsnamen als wertvolle Quellen für die historische Sprach- und Siedlungsforschung.

Prof. Casemir (leider wird im Interview manchmal als KirstEn (!) bezeichnet), die seit 34 Jahren in diesem Bereich tätig ist, betont, dass Ortsnamen eng mit natürlichen Gegebenheiten oder bedeutenden Persönlichkeiten der Gemeinschaft verknüpft sind. Sie spiegeln somit die Siedlungsgeschichte wider und ermöglichen Rückschlüsse auf prähistorische Zeiten anhand frühester schriftlicher Quellen aus dem achten Jahrhundert, wie Urkunden, Lehnregister und Karten.

Ein Schwerpunkt ihrer Forschung liegt auf den Regionen Westfalen, Niedersachsen und Bremen. Hier zeigen Ähnlichkeiten in den aus dem Altsächsischen stammenden Ortsnamen enge Verbindungen zu Nachbarländern wie den Niederlanden, England, Skandinavien und dem Baltikum auf. Casemir weist darauf hin, dass die ersten Siedler Englands nicht, wie oft vermutet, aus Schleswig-Holstein, sondern aus Niedersachsen kamen. Zudem widerlegt sie den in der NS-Zeit verbreiteten Mythos einer germanischen Einwanderung aus Skandinavien und identifiziert Niedersachsen als Ursprungsgebiet der Germanen, gestützt auf mehrere tausend Jahre alte Gewässer- und Ortsnamen.

Ein Beispiel für einen alten niedersächsischen Namen ist die Weser, die denselben Ursprung wie die Werra hat. Die Unterschiede in der Benennung sind auf historische Lautwandelprozesse zurückzuführen, die heute kaum noch rekonstruierbar sind. Casemir erläutert, dass Konsonanten oft zu weicheren, leichter auszusprechenden Lauten verändert wurden.


Ein weiteres Beispiel ist der Ort Sierße im Kreis Peine, der 1141 als Siegehardishusen (Haus des Siegehard) bekannt war. Über die Jahrhunderte entwickelte sich der Name über Sigerdessen und Sierdessen zum heutigen Sierße. In diesem Ortsnamen ist somit ein ausgestorbener Personenname bewahrt.

Casemirs Arbeit im Projekt „Ortsnamen zwischen Rhein und Elbe“ trägt dazu bei, das kulturelle Erbe und die historische Sprachentwicklung Deutschlands zu erforschen und zu bewahren. Durch die Analyse von Ortsnamen werden nicht nur linguistische Erkenntnisse gewonnen, sondern auch Einblicke in die frühesten Siedlungsstrukturen und gesellschaftlichen Entwicklungen ermöglicht.

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